Psychosoziale Unterstützung in besonders belastenden Berufen

„Psychosoziale Unterstützung in besonders belastenden Berufen“

 

Die Pandemie hat einmal mehr gezeigt, welche physischen und psychischen Anforderungen die Kolleginnen und Kollegen bewältigen müssen. Dabei sind die Belastungen in manchen Berufsgruppen schon immer sehr hoch gewesen. In Gesprächen mit solchen Berufsgruppen fragt man sich immer „Wie könnt Ihr das nur ertragen?“ Welche Lösungsansätze gibt es schon, was ist aktuell in der Planung? Ein paar Ansätze davon möchte ich Euch hier vorstellen.

Die Pflege von kranken oder alten Menschen wie auch die Inklusion von Menschen mit Behinderungen hat eine enorme gesellschaftliche Bedeutung. Die Arbeit, die dort geleistet wird, ist eigentlich mit Geld allein nicht zu vergüten. Denn sie hinterlässt oft auch Spuren bei den Kolleginnen und Kollegen.

Beispiel Heilpädagogisches Zentrum Krefeld – Kreis Viersen gGmbH mit über 500 Angestellten, die die Betreuung und Förderung von über 2200 behinderten Mitarbeiter:innen sicherstellen.

Bereits 2016 wurde, nach Thematisierung durch den Betriebsrat, eine anonyme Befragung der Kolleginnen und Kollegen durchgeführt und der Bedarf an niederschwelligen und unbürokratischen Hilfsangeboten erkannt. Der Betriebsrat nahm sich daraufhin dem Thema „Unterstützungsangebote“ an und erarbeitete mit einem internen Arbeitskreis

  • ein Konzept zur Unterstützung bei Extremsituationen sowie
  • ein Konzept zur Unterstützung bei alltäglichen Situationen und Problemlagen.

Ziel der Konzepte sollte es sein, die psychische Gesundheit zu erhalten bzw. positiv zu beeinflussen, um psychische Erkrankungen zu vermeiden oder deren Folgen zu reduzieren.

Da sich unter den Kollegen bereits zwei erfahrene ehrenamtliche Notfallseelsorger befanden, konnte die interne Unterstützung zur Hilfe bei Extremsituationen kurzfristig umgesetzt werden. Die langfristige Zielsetzung ist eine Erweiterung des Teams durch Qualifizierung eigener Kolleginnen und Kollegen zur „Fachkraft für psychosoziale Unterstützung“ bzw. zu Notfallseelsorgern.

Für den Bereich der alltäglichen Problemlagen wurde eine Kooperation mit einem externen Dienstleister gewählt. Hier gibt es Beratungsangebote zu den verschiedensten Themenfeldern und bei Bedarf wird innerhalb von zwei Tagen ein persönliches Treffen sichergestellt/organisiert.

Nach der Wahrnehmung des Betriebsrats, ist ein Rückgang der Krankenausfälle in diesen Bereichen zu erkennen. Eine Wiederholung der Befragung muss hier aber noch erfolgen. Für diese eindrucksvolle Umsetzung erzielte der Betriebsrat 2018, in der Kategorie „Gute Arbeit“, den zweiten Platz beim 15. Betriebsrätetag in Bonn.

 

Beispiel Rettungsdienst – pflegende Berufe –

Wenn es um das Erleben von Extremsituationen geht, sind die Kolleginnen und Kollegen im Rettungsdienst oder der Krankenpflege immer ganz vorne mit dabei. Wenn ich eins in meinen 30 Jahren Erfahrung im Rettungsdienst gelernt habe, dann ist es: „gibt’s nicht – gibt’s nicht“ ALLES ist möglich. Glücklicherweise ist heute das Thema „Umgang mit psychischen Belastungen“, wenn auch nur sehr am Rande, Bestandteil der Ausbildung geworden.

Aber gerade nach extremen Situationen funktionieren Bewältigungsstrategien, die bei „allgemeinen“ persönlichen Herausforderungen greifen, nicht oder entfalten nicht die entlastende Wirkung, da bestimmte Situationen deutlich vom Normalen abweichen. Kinder, die schon im Säuglingsalter sterben oder Menschen, die ihr Leben auf grausame Weise beenden, gehören nicht zu unserem Verständnis von „normal“. Hier kann es dann zu akuten Belastungsreaktionen bis hin zur posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) führen.

In der Begleitung von Kolleginnen und Kollegen nach extremen Ereignissen hat sich im Laufe der Jahre das CISM (Critical Incident Stress Management) Konzept aus den USA etabliert. Hierbei handelt es sich um ein ressourcenorientiertes umfassendes Interventionsprogramm, welches durch speziell qualifizierte Peers (Gleichrangige desselben Arbeitskontextes) bzw. Psychosoziale Fachkräfte durchgeführt wird. CISM ist aber keine Therapie oder kann auch kein Ersatz für eine nötige Therapie bei der PTBS sein, sondern bietet nur Hilfe zur Selbsthilfe an.

Andere Angebote wie z.B. regelmäßige Supervision sind leider noch die große Ausnahme im Rettungsdienst und anderen pflegenden Berufen. Dabei müssten gerade solche Angebote in jedem Maßnahmenplan der Gefährdungsbeurteilung (ArbSchutzG §5) enthalten sein, vorausgesetzt diese wurde bisher überhaupt vollständig durchgeführt. 1Die Zahlen aus der Veröffentlichung des Bundesamtes für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin von 2021 zeigen ein sehr trauriges Bild. Hier bedarf es noch einiger Aufklärungs- und Aufbauarbeit durch die Interessenvertretungen vor Ort.

Beispiele aus anderen Bereichen

Auch wenn mein Einblick in andere Bereiche wie Einzelhandel, Lager oder Logistik, Büro und Verwaltung etwas eingeschränkt ist, so höre ich von dort gleiche Probleme. In den Unternehmen fehlt es an einer fachkundigen betrieblichen Vertrauensperson, die….

  • bei Belastungen, Krisen und Konflikten dem Mitarbeiter oder Kollegen mögliche Bearbeitungswege aufzeigen kann;
  • über eine hinreichende Vernetzung zu Einrichtungen und Organisationen verfügt, um schnell und gezielt Hilfsmöglichkeiten aufzeigen und einleiten zu können;
  • Führungskräften und Mitarbeitern im betrieblichen Alltag als loyaler und diskreter Gesprächspartner im Themenbereich psychische Belastungen zur Verfügung steht.
Wo kann sich der Betriebsrat zu diesem Thema weiterbilden?

Weitere Seminare rund um das Thema Psychische Belastungen finden sie hier: https://www.peer-support.de

Im Jahr 2022 nehmen wir zudem ein neues Seminar in unser Programm auf, mit deren Abschluss das Zertifikat zur „Fachkraft für psychosozialen Unterstützung im Unternehmen“ erworben werden kann. In unserem Newsletter sowie auf unserer Homepage halten wir Sie hierzu auf dem Laufenden.

 

1 Quelle: BAuA – Arbeitswelt im Wandel Ausgabe 2021 Seite 77